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Bewerbersprache: Suchen Sie wirklich eine Herausforderung?

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challenge-753479_640Glaubt man den Bewerbungsanschreiben, die täglich zu tausenden verfasst werden, suchen fast alle Bewerber eine “neue Herausforderung”. Ich behaupte: In den wenigsten Fällen trifft dies zu! Meistens handelt es sich um eine unbedachte Phrase, die zu allem Überfluss auch noch den Erfolg der Bewerbung unwahrscheinlicher macht.

Herausforderung: Was ist das?

Im Kundengespräch erkläre ich den Begriff “Herausforderung” so: “Wenn ich Ihnen etwas Geld in die Hand drücke und Sie darum bitte, mir ein Stück Butter zu besorgen, würden Sie das nicht als Herausforderung bezeichnen. Aber wenn ich Ihnen ein Gefäß mitgebe und um ein Stück Eis vom Gipfel des Mount Everest bitte, wäre das eine Herausforderung für Sie.”

Denn eine Herausforderung ist nichts, was man täglich souverän erledigt. Es handelt sich eher um ein Wagnis, dessen Erfolg nicht von vornherein fest steht. Die meisten Unternehmen suchen für die meisten Stellen niemanden, für den die neue Position ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang darstellt. Die ideale Besetzung ist eher jemand, dem der Job an sich locker von der Hand geht. Neues gibt es auch so genug: Kolleginnen und Kollegen, Kundinnen wie Kunden, eine andere Unternehmenskultur und weitere potentielle Störfaktoren. Ideal ist es daher aus Sicht der Chefs, wenn der Neue seinen Job beherrscht.

Woher kommt das Gerede von der “Herausforderung”?

Zu Recht denken Sie jetzt wahrscheinlich: “Irgendwoher muss der Begriff im Bewerbungszusammenhang doch kommen?!?”  Ja, richtig, die starke Präsenz des Wortes rührt daher, dass es häufig in Bewerbungsratgebern steht. Und von dort wird es abgeschrieben.

Aber: “Irgendein guter Sinn muss doch wohl dahinter stecken?!?” Ja,  in den Ratgeber-Beispielen passt das Wort häufig. Denn dargestellt werden dort oft Menschen, denen ihr Job zur Routine geworden ist, so dass sie etwas Neues suchen. Der Idealfall: Nach einigen Jahren in der aktuellen Stelle beherrschen sie ihre  Aufgaben in allen Schattierungen, so dass ein Wechsel in die nächste Führungsebene ansteht. Dann suchen sie tatsächlich mit gewissem Recht eine “Herausforderung”: Eine Aufgabe, die neu ist, auf die sie sich aber gründlich vorbereitet haben. Der Begriff soll hier außerdem den Ehrgeiz vermitteln, mit dem sie künftig wieder ans Werk gehen wollen.

Die meisten suchen in Wahrheit das Gegenteil einer Herausforderung

Bewerbungsratgeber sind voll von diesen Menschen mit ihren tollen, planmäßigen, durch Kompetenz und beeindruckende Persönlichkeit geprägten Erfolgswegen.

Die Welt der Arbeitssuchenden ist dagegen voll von Menschen, die sich umorientieren müssen, weil es gerade nicht so prickelnd läuft. Insbesondere aus der (drohenden) Arbeitslosigkeit heraus ist die erfolgsversprechendste Strategie, dieselbe Kompetenz zu verkaufen, für die man zuletzt bezahlt wurde. Also: Routine. Das gerade Gegenteil einer Herausforderung! Sollte dies auch bei Ihnen der Fall sein, so suchen Sie nach einer passenden Gelegenheit, Ihre “zuletzt unter Beweis gestellten Fähigkeiten einzubringen” (um Ihnen ein Formulierungsbeispiel fürs Anschreiben oder Vorstellungsgespräch zu geben). Sie verkaufen erprobte Lösungen, keine wackeligen Lösungsversuche. Machen Sie deutlich, was Sie können! Nicht, was Sie vielleicht gegebenenfalls mit großem Einsatz, unter günstigen Bedingungen, mit viel Glück und Rückenwind bewerkstelligen könnten. Und vermeiden Sie bitte das Wort “Herausforderung” – es passt hier nicht. Es schadet Ihnen, da Sie ja bewährte Lösungen verkaufen wollen.

Wo “Herausforderung” vielleicht passt

Und wenn Sie tatsächlich nach einigen Jahren im Job aus freien Stücken, mit Kompetenz und Elan eine neue, anspruchsvollere Aufgabe suchen? Dann machen Sie sich bitte doch ein paar Gedanken, ob es wirklich dieses abgegriffene Wort braucht, um Ihr Anliegen deutlich zu machen. Vielleicht wandeln Sie es wenigstens zum Adjektiv und suchen eine “herausfordernde neue Aufgabe”. Oder eine “spannende” neue Aufgabe. Oder Sie sehen eine “passende Position, die Ihren Werdegang ideal fortsetzt” oder die “sehr genau Ihren Vorstellungen für die nächste Stelle” entspricht.

Und denken Sie auch im Hinblick aufs Vorstellungsgespräch über die Verwendung des Begriffs “Herausforderung” nach. Auch wenn das Positive daran der Ausdruck Ihres hohen Engagements sein mag: Es schwingt immer das Unsichere des Lösungsversuchs mit. Und Risiken sind genau das, was Unternehmen lieber vermeiden. Selbst bei ambitionierten Menschen, die mit viel Energie und Potential eine “neue Position mit größerem Gestaltungsspielraum” suchen.


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